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Arbeitsrecht: Urlaub in Corona Zeiten

Corona

Arbeitsrecht: Urlaub in Corona Zeiten

Arbeits­recht: Urlaub in
Corona Zeiten

Viele Arbeitnehmer werden den Urlaub in diesem Jahr in ``Corona-Risikogebieten`` verbringen. Denn viele wissen nicht, was überhaupt die Definition für ein ``Corona-Risikogebiet`` ist. Was aber bedeutet eine Reise in ein Risikogebiet für den Arbeitsplatz und die Rückkehr zur Arbeit nach den Ferien? Kann der Arbeitgeber einen Urlaub wegen des Reiseziels ablehnen? Was ist, wenn ich nach dem Urlaub in Quarantäne muss? Kann mein Arbeitgeber mich abmahnen oder mir sogar kündigen?

Was ist ein Corona-Risikogebiet?

Als sogenannte Corona-Risikogebiete werden Staaten oder Regionen außerhalb der Bundesrepublik Deutschland bezeichnet, für welche zum Zeitpunkt der Einreise in die Bundesrepublik Deutschland ein erhöhtes Risiko für eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 besteht.

Die Einstufung als Risikogebiet treffen grundsätzlich das Bundesministerium für Gesundheit, das Auswärtige Amt und das Bundesministerium des Innern für Bau und Heimat gemeinsam. In die Entscheidung fließen die Zahl der Infizierten, Testkapazitäten, durchgeführte Tests pro Einwohner sowie Hygienebestimmungen ein.

Es ist zu beachten, dass die Bundesländer eigenständige Regelungen erlassen haben, die Vorgaben zur Einreise aus den Risikogebieten und zu den Auswirkungen der Reise etwa auf die Quarantäne regeln.

Kann der Arbeitgeber auf meine Entscheidung, wo ich meinen Urlaub verbringe, Einfluss nehmen, wenn vor Reisen in Risikogebiete gewarnt wird?

Arbeitgeber haben generell kein Auskunftsrecht über die Urlaubspläne des Arbeitnehmers, das gilt auch nach der Reiserückkehr.

Der Arbeitgeber darf den Urlaub nur ablehnen, wenn dem konkreten Urlaubsantrag betriebliche Belange (Auftragslage) oder Urlaubswünsche anderer Mitarbeiter entgegenstehen. Das betrifft also nur die zeitliche Lage, nicht aber das Reiseziel.

Droht nach der Rückkehr aus dem Urlaub in einem Risikogebiet, dass ich unter Quarantäne gestellt werde?

Das entscheidet sich anhand der maßgeblichen Regelungen in den jeweiligen Bundesländern. Vielfach regeln diese, dass Personen, die aus einem Risikogebiet nach Deutschland einreisen, einer häuslichen Quarantäne von bis zu 14 Tagen unterworfen werden. Die Einreise aus einem Risikogebiet muss beim Gesundheitsamt angezeigt werden.

Allerdings ist es möglich, eine Quarantänepflicht zu vermeiden. In der Regel ist dafür erforderlich, dass Sie keine Symptome zeigen, die auf eine Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 hinweisen und ein negatives Testergebnis sowie eine ärztliche Bescheinigung vorlegen können. Die ärztliche Bescheinigung muss sich auf eine Testung auf das Vorliegen einer Infektion mit SARS-CoV-2 stützen, die nicht länger als 48 Stunden vor der Einreise nach Deutschland durchgeführt worden ist. Berücksichtigt werden nur Tests, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem Staat, den das Robert Koch Institut (RKI) in eine Liste von Staaten mit hierfür ausreichenden Qualitätsstandard aufgenommen hat, durchgeführt worden sind. Treten binnen 14 Tagen nach Einreise Symptome auf, muss der oder die Betroffene das zuständige Gesundheitsamt hierüber unverzüglich informieren.

Die Regelungen für die einzelnen Bundesländer unterscheiden sich im Detail.

Kann mein Arbeitgeber die Lohnzahlung verweigern, wenn ich meinen Urlaub im Risikogebiet verbracht habe und anschließend in die Quarantäne muss?

Grundsätzlich verliert der Arbeitnehmer nicht seinen Vergütungsanspruch, wenn er vorübergehend an der Arbeitsleistung ohne eigenes Verschulden verhindert ist, § 616 BGB. Allerdings ist es umstritten, ob diese Regelung für diejenigen greift, die infolge einer absehbaren Quarantäne nach Rückkehr aus einem Risikogebiet an der Arbeitsleistung verhindert sind. Zudem ist diese Regelung in zahlreichen Tarif- und Arbeitsverträge ausgeschlossen.

In einigen Fällen ist es möglich, dass trotz Quarantäne die Arbeitsleistung weiterhin erbracht werden kann. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer mit seinem Arbeitgeber eine entsprechende Vereinbarung getroffen hat, die ihm ermöglicht, im Homeoffice zu arbeiten.

Ist eine Beschäftigung zu Hause ausgeschlossen und gibt es im Betrieb keine speziellen Regelungen, die in diesem Fall die Lohnfortzahlung regeln, der Arbeitnehmer also seinen Lohnanspruch verliert, stehen ihm bei einer durch das Gesundheitsamt angeordneten Quarantäne eine staatliche Entschädigung in Höhe des ausgefallenen Lohnes nach dem Infektionsschutzgesetz zu. Der Arbeitgeber zahlt die Entschädigung für die zuständige Behörde für die Dauer einer Quarantäne, längstens für sechs Wochen, aus. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet. Zahlt der Arbeitgeber die Entschädigung nicht aus, können Sie innerhalb von 12 Monaten ab dem Ende der Quarantäne einen Antrag bei der zuständigen Behörde stellen, § 56 Abs. 11 IfSG. Die Entschädigung wird dann von der zuständigen Behörde an den Arbeitnehmer gewährt.

Kann die Entschädigungszahlung verweigert werden, mit der Begründung, ich habe mich dem Risiko der Quarantäne durch meine Reise selbst ausgesetzt?

Das Infektionsschutzgesetz schließt das Recht auf eine Entschädigung aus, wenn die Quarantäne durch eine Maßnahme der „spezifischen Prophylaxe“, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder öffentlich empfohlen wird, hätte vermieden werden können. Teilweise wird deshalb vertreten, dass diejenigen, die entgegen der Reisewarnung in ein als Risikogebiet eingestuftes Land verreisen, kein Recht auf Entschädigung haben.

Diese Auffassung ist allerdings nicht überzeugend. Als typische Maßnahme der „spezifischen Prophylaxe“ nach dem Infektionsschutzgesetz ist nicht der Verzicht auf Urlaub, sondern allenfalls eine derzeit noch nicht vorhandene Schutzimpfung gegen SARS-CoV-2 oder eine vergleichbare immunitätsfördernde Maßnahme zu verstehen. Denkbar wäre diesbezüglich etwa eine vorsorgliche medikamentöse Behandlung, die in Bezug auf Covid-19 aber ebenfalls (noch) nicht existiert. Allgemeine Reisehinweise, auch wenn sie als Warnung vor Reisen in bestimme Gebiete ausgesprochen werden, sind jedenfalls keine „spezifischen“ Maßnahmen zur Prophylaxe. Die Rechtslage ist insoweit derzeit unklar.

Die Einstufung als Risikogebiete erfolgt derzeit pauschal für das gesamte Staatsgebiet eines Landes, ohne beispielsweise zwischen ländlichen Regionen mit potenziell eher geringerer Ansteckungsgefahr und städtischen Ballungsgebieten mit erhöhten Infektionszahlen zu differenzieren.

Was passiert, wenn ich tatsächlich an COVID-19 erkranke?

Jeder Arbeitnehmer, der infolge einer Erkrankung arbeitsunfähig ist – und davon ist bei der Lungenkrankheit COVID-19 auszugehen – muss dem Arbeitgeber die Arbeitsunfähigkeit unverzüglich anzeigen und spätestens nach drei Tagen, in manchen Betrieben aber auch schon früher, ein ärztliches Attest vorlegen.

Bei einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus, wie in jedem anderen Krankheitsfall, hat der Arbeitnehmer in der Regel einen Anspruch auf Lohnfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Das gilt auch dann, wenn er für diese Zeit unter Quarantäne gestellt wurde. Begann die Quarantäne allerdings vor der Infektion und erkrankt der Arbeitnehmer während der 14-tägigen Quarantäne, ist die Entschädigung nach dem Infektionsschutzgesetz vorrangig und verlängert sich um die Dauer der Erkrankung. Arbeitnehmer können unter Umständen ihren Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall verlieren, wenn sie selbst schuld daran sind, dass sie nicht arbeiten können. Das setzt jedoch voraus, dass sie sich leichtfertig oder gar vorsätzlich Risiken ausgesetzt haben in einer Weise, die gravierend gegen „das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten“ (nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte) verstößt. Alleine eine Reise in ein Risikogebiet spricht nicht für einen solchen Verstoß. Wenn während des Urlaubs im Risikogebiet die empfohlenen Verhaltensregeln zur Minimierung des Infektionsrisikos eingehalten werden und dennoch eine Erkrankung auftritt, kann die Lohnfortzahlung nicht verweigert werden.

Letztendlich hängt aber die abschließende Bewertung immer vom jeweiligen Einzelfall ab. Welche Maßstäbe die Arbeitsgerichte in dieser speziellen Gemengelage anlegen werden ist noch unklar, da es entsprechende Fälle noch nicht entschieden sind.

Kann der Arbeitgeber abmahnen oder kündigen, weil ich in ein Risikogebiet verreist bin und anschließend in die Quarantäne musste?

Eine Abmahnung oder Kündigung kommt nur in Betracht, wenn Sie eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt haben. Ob eine vertragliche Nebenpflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers dadurch verletzt werden kann, dass eine Urlaubsreise angetreten wird, nach deren Ende womöglich eine Quarantäne droht, ist umstritten. Denn grundsätzlich sind Arbeitnehmer in ihrer privaten Lebensführung frei und haben das Recht, in der Freizeit auch in Risikogebiete zu reisen. Sie erfüllen ihre Rücksichtnahmepflicht gegenüber den Interessen des Arbeitgebers dadurch, dass im Urlaub die empfohlenen Verhaltensregeln zur Minimierung des Infektionsrisikos eingehalten werden. Letztendlich hängt aber die abschließende Bewertung auch hier vom Einzelfall ab.

Muss ich mich nach meiner Urlaubsreise in ein Risikogebiet auf SARS-CoV-2 testen lassen?

Jeder, der aus dem Ausland nach Deutschland einreist, kann sich innerhalb von 72 Stunden kostenlos auf das Coronavirus testen lassen. Einreisende aus Risikogebieten sind seit dem 8. August zum Test verpflichtet.

Hat der Arbeitgeber konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitnehmer infiziert sein könnte, weil Krankheitssymptome auftreten, kann er die Beschäftigung verweigern, solange kein ärztliches Attest vorliegt. Begründung hierfür ist, dass der Arbeitgeber generell geeignete Maßnahmen zu ergreifen hat, um anderen Beschäftigten vor der Ausbreitung von Krankheiten im Betrieb zu schützen. In bestimmten Bereichen, in denen eine potenzielle Infektion besonders gravierende Auswirkungen haben könnte, etwa in Krankenhäusern, sind im Rahmen eines betrieblichen Arbeitsschutzkonzeptes regelmäßige Testungen vorgesehen.

André Kappel

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Fachanwalt für Insolvenzrecht und zertifizierter Restrukturierungs- und Sanierungsexperte