
Änderungen im Kaufrecht seit 01.01.2022 durch die Warenkaufrichtlinie (WKRL)
Neuer Sachmangelbegriff
Der Kaufgegenstand muss künftig folgende Voraussetzungen (kumulativ) erfüllen, um mangelfrei zu sein: Er muss
- den subjektiven Anforderungen (das entspricht der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit),
- den objektiven Anforderungen (das entspricht der erwartbaren/üblichen Beschaffenheit)
- den Montageanforderungen entsprechen (Wenn eine Montage durchzuführen ist, müssen sämtliches Zubehör und Anleitungen mitgeliefert werden).
Alle Anforderungen sind gleichrangig. Zukünftig gilt also kein Vorrang der individuellen Beschaffenheitsvereinbarung mehr. Dies bedeutet, dass zukünftig eine Sache auch dann mangelhaft sein kann, wenn sie der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit entspricht.
Zu der vertraglich vereinbarten Beschaffenheit, also den subjektiven Anforderungen, gehören Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale, für die die Kaufvertragsparteien Anforderungen vereinbart haben.
Den objektiven Anforderungen entspricht die Sache nur dann, wenn sie sich zur gewöhnlichen Verwendung eignet, der üblichen und erwartbaren Beschaffenheit vergleichbarer Sachen entspricht und zudem der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat und mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- und Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer vernünftigerweise erwarten kann (Hier können sich zum Beispiel Probleme ergeben, wenn der Kunde ein Vorführfahrzeug mit umfangreicher Sonderausstattung besichtigt hat, das von ihm erworbene Fahrzeug aber mit geringerer Ausstattung bestellt wurde.).
Künftig gehört zur objektiven Beschaffenheit auch die Haltbarkeit, also die Fähigkeit des Kaufgegenstandes, seine erforderlichen Funktionen und seine Leistung bei normaler Verwendung zu behalten (aber Achtung: Dadurch wird keine gesetzliche Haltbarkeitsgarantie eingeführt!).
Außerdem muss die Sache mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben werden.
Negative Beschaffenheitsvereinbarungen, also Abweichungen von den objektiven Anforderungen, sind zulässig, unterliegen künftig aber strengen Formerfordernissen. Weist z.B. ein Gebrauchtfahrzeug einen Unfallschaden auf, darf der Verbraucher aber grundsätzlich wegen des Alters und der Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs erwarten, dass dieses unfallfrei ist (objektive Anforderung), müssen folgende Formerfordernisse eingehalten sein, damit (unabhängig davon, ob der Käufer trotzdem Kenntnis von dieser abweichenden Beschaffenheit hat!) kein Sachmangel vorliegt:
- Der Käufer muss vor Vertragsunterzeichnung eigens von der Abweichung in Kenntnis gesetzt werden. Es reicht nicht aus, die Abweichung nur als eine von mehreren Eigenschaften der Kaufsache in der Produktbeschreibung aufzuführen. Außerdem muss es dem Käufer zeitlich ermöglicht werden, eine wohlüberlegte Entscheidung zu treffen.
- Die Abweichung muss im Vertrag ausdrücklich (also vom Rest des Vertragsinhalts gestalterisch abgesetzt) und gesondert vereinbart werden. Formularvertragliche Vereinbarungen dürften nicht ausreichen.
Eine Verletzung dieser strengen Formvorschriften kann dazu führen, dass trotz positiver Kenntnis des Käufers von der negativen Beschaffenheit der Käufer diese nach den gesetzlichen Vorschriften als Mangel geltend machen kann.
Verlängerte Beweislastumkehr
Die Beweislastumkehr wird von bislang sechs Monaten auf ein Jahr verlängert. Zeigt sich innerhalb dieses Zeitraums seit Übergabe des Kaufgegenstandes ein vertragswidriger Zustand, wird vermutet, dass der Mangel bereits bei Übergabe vorlag. Eine Ausnahme gilt wie bisher dann, wenn diese Vermutung mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar ist.
Voraussetzungen für Rücktritt und Schadensersatz
Künftig fällt die Annahme einer fehlgeschlagenen Nacherfüllung bei zwei erfolglosen Nachbesserungsversuchen weg.
Einerseits kann dadurch eine (zum Rücktritt berechtigende) fehlgeschlagene Nacherfüllung bereits nach dem ersten Nacherfüllungsversuch vorliegen.
Andererseits wird die Anzahl der dem Verkäufer zustehenden Nachbesserungsversuche offengelassen und es wird auf die konkreten Umstände des Einzelfalls ankommen. Dies kann bedeuten, dass die sog. Trial-and-Error-Methode bei komplexen technischen Gegebenheiten weiterhin anwendbar sein kann.
Eine wesentliche Neuerung ist darin zu sehen, dass künftig keine Fristsetzung mehr erforderlich für einen Rücktritt oder die Geltendmachung von Schadensersatz. Es reicht aus, dass der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer objektiv angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, in dem der Verbraucher ihn von dem vertragswidrigen Zustand in Kenntnis gesetzt hat, nicht vorgenommen hat. Wichtig ist, dass der Leistungserfolg innerhalb der objektiv angemessenen Frist eintreten muss, der bloße Beginn mit den Nachbesserungsarbeiten reicht nicht aus.
Rücktrittsfolgen
- Der Verkäufer hat die Rücksendekosten zu tragen (z.B. Transportkosten, wenn das Fahrzeug wegen eines Mangels nicht fahrfähig ist.).
- Der Verbraucher ist künftig mit der Rückgabepflicht vorleistungspflichtig: Der Verkäufer hat dem Verbraucher den Kaufpreis zu erstatten, sobald er die Kaufsache zurückerhält oder der Käufer den Nachweis erbringt, dass er den Kaufgegenstand zurückgesandt hat. Das Transportrisiko liegt dabei beim Unternehmer, die Ware muss also nicht bei ihm ankommen, um den Erstattungsanspruch des Verbrauchers zu begründen.
Verjährungsverkürzung
Die Verkürzung der Verjährungsfrist bei gebrauchten Waren auf ein Jahr ist weiterhin zulässig, unterliegt nun aber denselben strengen Formerfordernissen wie eine negative Beschaffenheitsvereinbarung. Eine formularvertragliche Verkürzungsklausel in einem schriftlichen Kaufvertrag oder gar in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die in den Kaufvertrag miteinbezogen werden, genügt diesen Erfordernissen voraussichtlich nicht mehr. Werden diese Formvorschriften verletzt, gilt die reguläre, gesetzliche Verjährungsfrist von zwei Jahren.
Alexandra Gorazdza
Notarin, Fachanwältin für Verkehrsrecht und Fachanwältin für Strafrecht